Gemeinde ohne Moral?
Patrick Franks Arbeit am Indifferenten
Komponisten Ueli M. aus dem 18. Jahrhundert (der erste Komponist, der Postkutschenabfahrtszeiten
vertonte). Zur gleichen Zeit spielt die junge Panflötistin Heidi S. Werke ihres ehemaligen Lehrers in der Kirchgemeinde U. und das Trio Lichtgestalt
improvisiert über mysteriöse Geräusche der stillgelegten Schweißfabrik. Daneben werden in den etablierten Häusern W.A.M. und L.v.B. zum x-ten Mal rauf- und runtergeleiert und im Opernhaus brechen, wie meist nach den Darbietungen der Singstars, Tokio-Hotel-ähnliche Hysterien der gestandenen Damen aus.»
Patrick N. Frank
Die Klage über «Kriterienlosigkeit», «Unübersichtlichkeit», «Orientierungslosigkeit» etc. hat sich in der Neuen Musik schon sehr lange als Topos etabliert, der verschiedene Probleme mit sich bringt: Zunächst jenes des «Früher-war-alles-besser», verbunden mit dem Glauben daran, dass aus einer geschichtlichen Situation heraus abstrahierte Werte zu früheren Zeiten Künstlern als Leitplanken ästhetischen Handelns dienten, als entstünden Werke im Abgelten jener Regelhaftigkeiten, die nachträglich aus ihnen abgeleitet werden können. Das Gefühl der geschichtlichen Benachteiligung mag frustrieren und zu künstlerischen Blockaden führen. Wenn man ernsthaft vorhat, sich in der eingangs geschilderten Szene mittels Neuer Musik unverwechselbar, verbindlich und charakteristisch zu positionieren, kann Komponieren zum Krampf werden. Es gibt aber immer mehr (relativ) junge Komponisten, die just aus diesem Dilemma ästhetisches Kapital schlagen, indem sie die Arbeit an der empfundenen aktuellen Notlage explizit zum Hauptgegenstand ihrer Kunst machen. Es handelt sich vielleicht um eine kleine Wiederauferstehung eines Musikertypus, der fast in Vergessenheit geraten war: des engagierten Komponisten. Ein Merkmal von Engagement kann sein, wenn ein Komponist die Reflexion der gegenwärtigen Lage und möglicherweise auch ihre gesellschaftliche Bedingtheit aktiv in die künstlerische Arbeit mit einbezieht.
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Lesen Sie den vollständigen Artikel in DISSONANCE 116 (Dezember 2011).
Siehe auch das Dossier Patrick Frank mit Texten, Partituren, Videos etc.